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Freiarbeit mit Pferden
Allgemein

Freiarbeit mit Pferden – Was bedeutet sie für dich?

Freiarbeit mit Pferden: Ein Mensch und ein Pferd, die sich in völliger Freiheit, scheinbar auf magische Weise miteinander verbunden, gemeinsam bewegen. Ein Bild voller Harmonie, Leichtigkeit und gegenseitigem Verständnis. Seitdem ich so etwas zum ersten Mal vor meinen Augen hatte, träume ich davon, mit meinem Pferd auf ähnliche Art und Weise, frei, ungezwungen, verbunden, zusammen sein zu können. Und ich scheine nicht die einzige zu sein, die davon träumt. Freiarbeit ist in aller Reiter Munde, man könnte fast meinen, es ist das Modewort 2018 unter Pferdemenschen.

 

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Freiarbeit – ein Begriff, viele Bedeutungen

Doch was bedeutet Freiarbeit eigentlich? Das ist doch klar, denkst du jetzt vielleicht. Eben ein Mensch und ein Pferd, die, ohne durch ein Seil, eine Longe oder was auch immer miteinander verbunden zu sein, kommunizieren und auf dieser Basis miteinander arbeiten. Aber ist es wirklich so einfach, wie es auf den ersten Blick zu sein scheint? In meinen Augen ist es das nicht. Für mich stellt Freiarbeit ebenso wenig einen einheitlichen Begriff dar wie Bodenarbeit. Fragt man zehn Personen, was denn eigentlich Bodenarbeit ist, erhält man vermutlich zwanzig Antworten. Jemand, der nach der Akademischen Reitkunst arbeitet, versteht unter Bodenarbeit vermutlich ganz etwas anderes als jemand, der nach Natural Horsemanship arbeitet. Genauso verhält es sich meiner Meinung nach mit der Freiarbeit.

Natürlich, was Freiarbeit in all ihren Facetten immer gleich hat, ist, dass das Pferd scheinbar frei ist. Ja, du hast richtig gelesen. Scheinbar! Die große Frage, dich sich mir bezüglich der Freiarbeit stellt, ist die, ob das Pferd wirklich frei ist. Nicht nur frei von Hilfsmittel in Form von Seil oder Strick, sondern frei im Geist. Losgelöst von Zwang. Frei, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Frei, sich vom Menschen abzuwenden, wenn es keine Lust mehr hat oder blöd findet, was gerade verlangt wird. Ein Tanz mit einem Pferd.

 

Wenn sich das Pferd vom Menschen abwendet – ein No-Go?

Stichwort Abwenden: Jetzt denkst du vielleicht: „Pfffff, wo kämen wir denn da hin, wenn das Pferd anfangen würde, wegzugehen?“ Freiarbeit bedeutet in vielen Fällen eben genau das: Dass das Pferd möglichst nicht weggehen sollte. Weggehen ist schlecht. Ein weggehendes Pferd gehört unter allen Umständen verhindert. Also wird oftmals bis zum Umfallen geübt und trainiert, damit das Pferd brav bein Menschlein bleibt und nicht weggeht. In aller Regel kommen hierbei zwei Methoden zum Einsatz:

  • Das Pferd wird solange am Seilchen gearbeitet, bis es auf sämtliche Kommandos richtig reagiert und Lektionen zuverlässig abruft. Das Tier lernt ganz genau, wie es sich verhalten muss, was von ihm erwartet wird und wo sein Platz ist – im Radius von drei bis sieben Metern um seinen Menschen herum, dann wird es durch das Seil und einen Ruck am Halfter aufgehalten. Im Pferdegehirn wird das so abgespeichert, dass, selbst, wenn der Strick entfernt ist, das Pferd noch einen Ruck am Halfter erwartet, wenn es sich zu weit von seinem Menschen entfernt. Das Pferd wurde konditioniert, es hat gelernt, dass es nicht vom Menschen weggehen kann. Nicht umsonst geben einem viele Trainer den Rat, wieder einen Strick zu verwenden, wenn das Pferd sich während der Freiarbeit zu oft von seinem Menschen „verabschiedet“.
  • Ein Weggehen wird ungemütlich gemacht, oftmals, in dem das Pferd gejagt wird, bis es sich wieder dem Menschen anschließt. Es lernt, dass Weggehen Stress und Druck bereitet und es angenehmer ist, bei seinem Zweibeiner zu bleiben.

Die Sache ist die: Auch wenn der Strick weg ist, wirklich frei ist das Pferd hierbei nicht, denn keine der Methoden bietet dem Pferd echte Entscheidungsfreiheit. Wie frei kann ein Pferd seine Entscheidung, Zeit mit seinem Menschen zu verbringen, treffen, wenn es darauf konditioniert wurde, bei ihm zu bleiben? Oder wenn Weggehen bestraft wird?

Freiarbeit mit Pferden

Wann ist Freiarbeit wirklich frei?

Wenn sich das Pferd vom Menschen abwendet – KEIN No-Go!

Und dabei ist es doch genau das, was wir uns in Wirklichkeit wünschen, was wir so faszinierend an der Freiarbeit finden. Dass das Pferd aus freien Stücken bei uns bleibt, dass es sich bewusst für uns entscheidet. Aber kann man sich FÜR etwas entscheiden, wenn man sich nicht auch DAGEGEN entscheiden kann? Kann ein JA ohne ein NEIN existieren? Für mich ist ein Pferd, das sich während der Freiarbeit von uns abwendet, nichts per se Schlechtes. Schlecht wird es erst, wenn wir darauf mit negativen Gefühlen oder gar Handlungen gegenüber unserem Pferd reagieren.

Wenn wir es aber schaffen, ein Nein des Pferdes nicht als etwas Negatives zu bewerten – oder überhaupt zu bewerten –, offenbart sich darin eine der größten und wertvollsten Chancen, mehr über unseren vierbeinigen Schützling, über uns selbst und unsere Beziehung zueinander zu erfahren: Was braucht das Pferd, um bei mir zu bleiben und gerne und motiviert mit mir zu arbeiten? Welche Lektionen bereiten ihm Freude, welche findet es langweilig, welche überfordern es? Was kann ich zu einem harmonischen und freudvollen Miteinander beitragen? Welche meiner Verhaltensweisen bewirken, dass sich mein Pferd von mir abwendet? Wie wirke ich (heute) auf mein Pferd? Welche Gefühle löst es in mir aus, wenn das Pferd geht, und warum habe ich diese Gefühle?

 

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Nicht nur, aber gerade im freien Zusammensein kann das Pferd uns so viel mitteilen, wenn wir aufhören, unser Pferd als faul, störrisch, frech, unkooperativ, untalentiert usw. zu bezeichnen, wenn es sich von uns abwendet, und stattdessen anfangen, wirklich hinzuhören, hinzufühlen und an uns selbst zu arbeiten. Das Problem an einer gestörten Verbindung hat meistens, oder vielmehr immer, zwei Beine, nicht vier.

 

Lektion von meinem Pony

Dazu eine kleine Geschichte von meinem Pony-Mädchen und mir: Jedes Mal, wenn sie sich früher von mir abgewendet hat, war ich frustriert, enttäuscht und wütend. Ich gab ihr und ihrem Weggehen die Schuld daran, dass unsere Verbindung abgebrochen ist. Heute weiß ich: Nicht sie war schuld, schuld waren ich und meine negativen Gefühle. Denn eine Verbindung von Herz zu Herz ist unabhängig von räumlicher Distanz. Manchmal ist eine Verbindung überhaupt erst möglich, wenn man mehr Raum hat.

 

Freiarbeit mit Pferden - Blicke schweifen lassen

Wenn die Konzentration unseres Pferdes von uns abfällt und sich auf etwas anderes richtet, ist das ok! Pferde sind Fluchttiere und müssen ihre Umgebung im Auge behalten.

 

Wenn sich mein Pony jetzt während der Freiarbeit ungefragt von mir verabschiedet, um lieber einige Grasbüschel am Reitplatzrand zu zupfen oder ihre verrückten fünf Minuten hat und lieber in Eigenregie wild bockend und springend über den Platz toben möchte, setze ich mich zu ihr, sehe ihr zu und tobe auch mal alleine über den Platz. Ich warte einfach, bis sie bereit ist, weiter mit mir zu arbeiten. Unsere Verbindung bleibt bestehen und manchmal ist sie später bereit, weiterzuarbeiten, manchmal ist die Einheit an diesem Punkt auch beendet. Das ist dann auch vollkommen okay, denn ja, auch mein Pony darf sagen, wenn es genug von Arbeit hat. Meistens haben die Vierbeiner ohnehin ein viel besseres Gespür für den perfekten Moment zum Aufhören.

Nicht nur unsere Vorstellungen im Kopf können die Harmonie stören.

Freiarbeit – ein Tanz, ohne zu wissen, wer führt

Ihr habt es wahrscheinlich schon herausgefunden: Der Dreh- und Angelpunkt ist für mich Freiheit. Entscheidungsfreiheit. Erst, wenn gewährleistet ist, dass Mensch und Pferde diese gleichermaßen haben, spreche ich von Freiarbeit. Das bedeutet einerseits, dass sich mein Pferd von mir abwenden und Nein sagen darf, ohne negative Konsequenzen erwarten zu müssen. Auch das bedeutet Freiarbeit: Mein Pferd wird nicht erst am Strick darauf konditioniert, bei mir zu bleiben oder auch gewisse Hilfen richtig zu reagieren.  Vielmehr erarbeiten wir uns eine gemeinsame Sprache und Lektionen in Freiarbeit, gänzlich ohne vorher am Strick gearbeitet zu haben.

 

Freier Tanz mit dem Pferd

Ein freier Tanz, ohne Führung, ohne Zwang

 

Kommunizieren anstatt nur Anweisungen zu geben

Und es bedeutet, dass mein Pferd mitentscheiden darf, was wir machen. Mein oberstes Ziel ist es immer, mein Pony stark, selbstbewusst und stolz fühlen zu lassen. Und auch, wenn wir Reiter hin und wieder dazu neigen, das anzuzweifeln, wissen unsere Pferde selbst meistens ganz genau, was sie gerade brauchen, um sich stark, selbstbewusst und stolz fühlen zu können. Bei meinem Pony ist es zum Beispiel der Spanische Schritt und neuerdings auch der Spanische Trab, der es immer ganz groß werden lässt. Bedeutet das, dass wir nur noch Spanischen Schritt machen? Nein, denn manchmal braucht mein Mädchen auch ganz etwas anderes: Gemeinsam im Sand liegen und entspannen zum Beispiel, oder verrückt über die Reitbahn hüpfen, um Energie loszuwerden.

Es ist faszinierend, wie Pferde anfangen, selbst zu erkennen, was sie gerade brauchen, wenn wir ihnen Autonomie und Selbstständigkeit zugestehen. Wenn wir sie agieren statt reagieren lassen. Und doch so logisch. Stell dir vor, dein Mathematiklehrer sagt dir in jedem Moment ganz genau, was du zu tun hast, um eine Aufgabe zu lösen – früher oder später wirst du aufhören, selbst nachzudenken. Die Kreativität unserer Pferde stumpft ab, wenn sie immer nur gesagt bekommen, was sie tun sollen und was sie nicht tun dürfen. Die Freiarbeit bietet den idealen Raum, um das Pferd sich selbst erfahren und ausprobieren zu lassen.

 

Das ist Freiarbeit für mich.

Manchmal mache ich Vorschläge, manchmal macht mein Pferd Vorschläge. Und am schönsten ist es dann, wenn wir beide nicht mehr wissen, wer den Vorschlag gemacht und wer ihn angenommen hat. Wenn wir tanzen, ohne zu wissen, wer gerade führt.

Was ist die Freiarbeit für dich?

 

*Das ist ein Affiliate-Link, was bedeutet, dass ich Provision bekomme, wenn du über den Link kaufst. Dir entstehen dadurch keine Mehrkosten – jedoch haben so die Ponys etwas mehr Kleingeld für Süßigkeiten zur Verfügung. 🙂

 

**Dieser Beitrag wurde von Tina Ziller zur Verfügung gestellt. Vielen Dank für diese Worte und Gedanken! Wenn ihr mehr von Tina lesen möchtet, könnt ihr das auf Instagram tun.

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