Tash-Horseexperience
Persönliches

Goodbye my Friend…

Ich hab lange überlegt (wenn man eine Woche lange nennen kann. Derzeit dauern die Tage aber gefühlt ewig), ob ich euch die Geschehnisse der letzten Tage erzählen soll. Irgendwann aber müsste ich sowieso mit der Sprache raus, dann also lieber gleich jetzt.

Freitag musste ich länger arbeiten, da noch ein Termin mit einem Lieferanten anstand. Gleich anschließend flitzte ich in den Stall. Keine Sekunde des schönen Wetters wollte ich verpassen und hatte mir einen schönen Rest-Nachmittag bei den Ponys ausgemalt.

Und manchmal kommts anders… Kaum aus dem Auto ausgestiegen, kommt mir die kleine Tochter der Stallbesitzer entgegen gehoppst und erzählt „Raudy ist krank!“ Natürlich ist mir gleich die Kinnlade runter geklappt. Wenn Raudy nicht auf der Weide bei den Ponys steht, ein Kind mir erzählt, dass er krank ist, kann das nichts Gutes bedeuten.

Ich gehe weiter. Hinter den Stall. Da steht er, mit hochgezogenem Bauch, zittrig, mit verschwitzen Augenrändern. Die Stallbesitzer damit beschäftigt, ihn auf den Beinen zu halten. Im Zuge am Telefon, alle Tierärzte durchwählend. Natürlich hat keiner Zeit, überall Koliken. Ich schließe mich an mit der Telefoniererei und erreiche einen Tierarzt aus dem Ort, der sich auch sofort auf den Weg zu uns macht.

Raudy bringen wir inzwischen auf den Reitplatz und führen ihn im Schritt herum. „Das sieht nicht gut aus!“ höre ich die Stallfee sagen. Hören will ich das natürlich nicht, wissen, dass es so ist, tue ich aber sehr wohl.

In letzter Zeit habe ich euch wenig von Raudy erzählt. Es war einfach immer so selbstverständlich, dass er da ist. Dass ich mich um ihn kümmere, dass er jeden Tag mit den Ponys auf die Weide geht. Mit seinen 22 Jahren ist er die perfekte Ergänzung für die Ponytruppe. Der Ruhepol für den Herrn, der weise Lehrer für den kleinen. Ein sehr höfliches, liebes Pferd. Ganz ohne Macken und Unarten. Lieb im Umgang mit Menschen, geduldig mit den Ponys. Wie Haflinger so sind, ist ihm Futter natürlich immer das Höchste. Auf seine kleine Ration des Tages oder die Karotte zwischendurch freut er sich besonders.

Der Tierarzt rast auf den Hof, zieht ein paar Spritzen auf und kommt uns entgegen. Freundlich wird der Haflinger von ihm begrüßt und auch gleich medizinisch versorgt. Nach ein paar Minuten wird er abgehört und der Puls gemessen „Oje, er reagiert gar nicht…“ sagt er. Hm. Inzwischen ist auch Raudys Besitzerin, meine Cousine, angekommen.

Der Tierarzt sieht uns an und sagt „Er müsste in eine Klinik und operiert werden!“. Für uns ist so eine OP aber keine Option, schon gar nicht in dem Alter. Der Weg in die Klinik, die Operation dort, die er vielleicht überlebt. Zurück zu Hause wird er Monate lang in die Box gesperrt, Lebtags nur noch Diät. Ich habe viele Klinik-Fahrten mitbekommen in den letzten Jahren. Kaum ein Pferd ist überhaupt wieder mit nach Hause gekommen. In dem Fall mussten wir fürs Pferd und gegen die Schmerzen entscheiden und haben ihn gehen lassen.

Alle seine Freunde waren da, um sich von ihm zu verabschieden. Glaubt mir, der Schmerz sitzt tief, wir vermissen den lieben Haflinger mehr als sehr. Der herzensgute Bursche hinterlässt ein riesen großes Loch. Sowohl bei uns Menschen, die wir ihn so lange gekannt und geschätzt hatten, als auch bei den Ponys. Shadow und Raudy kannten sich seit 7 Jahren und waren sehr aneinander gewöhnt.

Shadow ist sehr schreckhaft und unruhig, seit Raudy den Weg über die Regebogenbrücke angetreten hat. Spencer wiederum ist sehr anhänglich und lässt seinen Shadow nicht aus den Augen. Ich verbringe möglichst viel Zeit bei den Beiden und bemühe mich um einen angenehmen Alltag.

Natürlich beschäftigen mich Gedanken, wie
„Kann Shadow dem Kleinen geben, was er braucht?“
„Kommt Shadow damit klar, dass der Ruhepol der Gruppe fehlt?“
„Ist es gut für beide, dass sie nun nur noch zu zweit sind?“
„Hat Spencer in seinem jungen Leben schon ausreichend gelernt, was ein Pony wissen muss?“

Gedanken um Gedanken kreisen in meinem Kopf, ich kann diese Fragen aber im Moment nicht beantworten. Fakt ist, zur Zeit sind die beiden auf sich allein gestellt und das ist nun mal so. Was die Zeit bringt, weiß ich nicht. Ob ein Kollege für die beiden irgendwann einzieht, weiß ich nicht.

Die Zeit heilt Wunden und kommt Zeit, kommt Rat.

Am Sonntag habe ich meine Abschlussprüfung. Die werde ich wohl gehörig versauen, weil nichts in meinen Kopf will, das nicht direkt mit Raudy oder den Ponys zu tun hat. Aber auch das ist unwichtig gerade. Ich werde antreten, sollte ich aber versagen, ist es eben so.

Ab nächster Woche habe ich dann ganz viel Zeit für meine beiden kleinen Racker und werde jede Sekunde mit ihnen genießen. Man sieht ja, wie schnell die gemeinsame Zeit vorbei sein kann. Dabei wollte ich Raudy noch so viel sagen und ihm für so vieles danken.

Also, hier noch ein kleines Mitbringsel für euch: Schön, dass es euch gibt und danke, dass ihr da seid. Genießt jede Sekunde mit euren Lieben und sagt auch mal danke oder ein „Schön, dass du da bist!“, wenn’s angebracht ist! Zu vieles bleibt ungesagt und ungetan.

 

 

 

 

 

Liebe Grüße, ich drück euch,
Tash

P.S. Die Ursachen von Koliken und was ihr im Akutfall tun könnt, lest ihr hier.
P.P.S. Wie ihr Schmerz erkennt, wird hier klar.

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4 Comments

  • Reply
    Themistokeles
    at

    Jedes Pferd auf dieser Erde bekommt von Petrus zu seiner Geburt eine Kistevoll mit Seifenblasen geschenkt.

    Diese Kiste begleitet jedes von ihnen ihr gesamtes Leben lang,…
    … doch dieses Geheimnis kennen nur unsere geliebten Vierbeiner und Petrus.
    Die Kiste ist am ersten Tag noch bis zum Rand gefüllt und jedes Mal, wenn wir Menschen unserem geliebten Pferd etwas Gutes tun, ihn mit so viel Liebe anschauen, dass es uns selbst im Innern schon weh tut, platzt eine der Seifenblasen.
    Am Tage, an dem unser Freund den letzten Weg geht, auf dem wir ihn noch nicht folgen können, gelangt er an die Tür von Petrus und Petrus öffnet jede einzelne Kiste.
    Er sah schon Pferde, jung an Jahren die über die Regenbogenbrücke zu ihm kamen, noch nass vom Schweiß, die Striemen der Peitsche noch deutlich zu erkennen, ein Bein gebrochen und als Petrus die Kiste öffnete, war diese noch randvoll mit Seifenblasen, nicht eine war geplatzt!
    Traurig berührte er das arme Geschöpf, heilte seine Wunden und ließ es ein in sein Reich…
    Er brauchte sich nicht die Mühe machen zu fragen, wie es dem Tier auf unserer Welt ergangen war.

    Es gab junge Pferde die mit einer halb leeren Kiste zu ihm kamen.
    Für sie wurde auf der Erde alles getan und doch mussten sie gehen.
    Soviel Liebe hatten sie erfahren, doch leider half es nichts.
    Petrus fragte sie wie es ihnen ergangen sei. Sie waren glücklich bei uns Menschen und wollten nicht gehen, meist war eine Krankheit dran schuld, dass sie gehen mussten.
    Petrus öffnete seine Türen und ließ das Pferd hinein.

    Doch es gab auch Pferde, die im hohen Alter zu ihm kamen, zufrieden und doch mit einem traurigen Blick in den Augen, denn sie haben ihren Menschen zurücklassen müssen!
    Und als Petrus diese Kisten öffnete, platzte in diesem Augenblick die letzte Seifenblase!
    Diese stand für die Tränen die der Freund auf Erden weinte, da er nach so vielen Jahren seinen treusten Freund verlor…
    Zufrieden streichelte er unsere Vierbeiner und fragte sie, wie sie ihr Leben gelebt hatten.
    Diese schauten zurück zur Regenbogenbrücke und sagten, sie würden hier bei Petrus auf uns warten, denn das Leben an unserer Seite war voll von Harmonie und Glückseligkeit.

  • Reply
    Blinde Simulantin
    at

    Mir fehlewn gerade die Worte! Es tut mir sehr sehr leid! Ich drück dich! Liebe Grüsse Anja

  • Reply
    Björn S.
    at

    Traurig, aber so ist das Leben, leider 🙁
    ich möchte nur diese Zeilen hier lassen…

    „…niemals geht man so ganz, irgendwas von dir bleibt hier…“

  • Reply
    Justine Wynne Gacy
    at

    Es gibt kaum etwas schlimmers – ich bin bei dir, wenn auch aus der Ferne und verdrücke mir die Tränchen …

    Ich wünsche dir ganz viel Kraft – Du hast das richtige getan, da bin ich ganz sicher!

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