Tash-Horseexperience
Pferde verstehen
Training mit alternativen Ansätzen

„Ich fühle dich, fühlst du mich auch?“

Wahrnehmung hat viele Varianten.

Kennt ihr das? Ihr begegnet einem fremden Menschen, führt eventuell ein Gespräch mit ihm. Im Gespräch selbst kommt dieser Mensch sehr freundlich rüber und verläuft die Begegnung eigentlich harmonisch. Dennoch seid ihr irgendwie erleichtert, dass sich eure Wege nach kurzer Zeit wieder trennen. Ein eigenartiges Gefühl überkommt euch und ihr fühlt euch ausgelaugt und müde. Es begleitet euch sogar eine negative Einstellung, fast so, als hättet ihr eine große Last übernommen.

 

Die Ausstrahlung, die wahrgenommen wird

Ich hatte gestern eine eben solche Begegnung. Dabei hat dieser Mensch nichts Falsches gemacht, er hat nur gestrahlt. In meine Richtung. Negative Energien. Deuten und einschätzen kann ich diese nicht, aber wahrnehmen. Wahrnehmen kann ich sie. Und aufnehmen scheinbar auch. Das Loswerden ist dann weniger einfach.

Dieses Gefühl führt mich zurück zum Praktikum in der Tierarztpraxis. Was passiert mit unseren Tieren, wenn sie unsere negativen Energien spüren und diese auf sie übergehen? Ich denke, Tiere sind hier noch viel empfindlicher als wir. Viel empfindlicher sogar, als wir uns vorstellen können.

Eventuell ist das Wissen darum sogar hilfreich im Zusammenhang mit undefinierbaren Krankheiten unserer Vierbeiner. Dazu möchte ich euch eine Geschichte erzählen.

 

Wie nimmst du mich wahr?

Gestern durfte ich eine Stute kennen lernen. Ein sehr liebes, aber reserviertes Tier. Die Vorsicht gegenüber dem Menschen verbarg sie nicht. Ich ging auf sie zu, ließ sie an meiner Hand schnuppern, damit sie mich etwas kennen lernen konnte. Hob ich aber die Hand in ihre Richtung mit der Absicht, sie berühren zu wollen, wich sie zurück. Sie wollte nicht berührt werden.

Natürlich respektiere ich das. Ich selbst möchte ja auch nicht, dass ein fremder Mensch auf mich zu kommt, mir die Hand zum „Hallo“ reicht um mich im nächsten Moment in den Arm zu nehmen. Dass ich verstand, zeigte ich ihr, indem ich einen halben Schritt zurück wich und ihr so einen größeren Freiraum einräumte. Nach einem kurzen Nichts wandte ich meinen Körper in eine öffnende, einladende Stellung. Die Stute war sichtbar dankbar für mein Verständnis und kam näher.

 

Wahr nehmen, was das Gegenüber will

Was war passiert? Anstatt in den Individualbereich der Stute einzudringen, lud ich sie ein, in meinen Raum zu kommen. Ich verzichtete also darauf, sie zu bedrängen und bat um ihr Vertrauen, indem ich meinen Raum für sie frei gab. Sichtbar beeindruckt von meiner Zurückhaltung, nahm sie an. Natürlich freute ich mich sehr über ihre Reaktion. Dennoch lag es mir fern, darauf wieder eine bedrängende Stellung einzunehmen.

Ich wandte mich langsam, aber immer noch in einladender Stellung ab. Fast schon bedächtig, fand ich meinen Platz hinter der Stute, in einem Eck der Box und wartete ab. Wieder kam sie auf mich zu, senkte den Kopf auf meine Höhe. Ganz vorsichtig, versuchte ich jetzt, meine Hand auf ihren Hals zu legen. Sie akzeptierte, ich kraulte sie ganz leise.

 

Wahrnehmung trotz Ablenkung

Dann war ich in ein Gespräch verwickelt, die Gedanken aber immer noch beim Pferd. Ich lehnte mich an die Boxenwand, immer noch in der Box, und unterhielt mich. Die Stute ging ganz langsam rückwärts auf mich zu. Wäre ich nicht einen halben Meter zur Seite gegangen, hätte sie ihr Hinterteil direkt vor mir platziert. Hinter mir die Boxenwand. Ich dazwischen. Keine so gute Idee. Dennoch waren ihre Bewegungen mehr als sanft, keine Anzeichen von Drohgebärden (keine Angst, das würde ich schon erkennen und dementsprechend reagieren). Das Hinterteil hat seinen Platz am Ende direkt neben mir gefunden, die Stute blickte mich an und wartete ab. Dann war ein Gluckern zu hören, fast so als würde bei jedem Atemzug Luft von hinten in den Körper gezogen. Ich war etwas verblüfft, zugegeben. So etwas hatte ich bisher auch nie gehört und wusste nicht, wie das möglich war.

 

Pferde verstehen

Gibst du deinem Pferd die Möglichkeit, sich dir mitzuteilen?

Da ich aber schon wissen wollte, ob die Stute damit etwas mitteilen mochte, ob sie also wollte, dass ich das Gluckern höre und somit mitbekomme, dass etwas nicht stimmt, wechselte ich meine Position innerhalb der Box nochmal. Zielgerichtet folgte mir das Hinterteil. Also ja, da wollte jemand, dass ihm geholfen wird. Also legte ich zur Kontaktaufnahme und um die Aufmerksamkeit der Stute auf mich (in dem Fall direkt hinter ihr stehend) zu richten, meine Hand auf ihr Hinterbein und kraulte leise. Dann hob ich ihren Schweif etwas an, um herauszufinden, woher das Gluckern kam. Die Lösung lag gleich auf der Hand, bzw. steckte sie im Hinterteil. Ein Teil ihres Schweifes hatte sich in ihr Hinterteil verirrt und selbst schaffte es die Stute nicht, das Problem zu lösen.

Dankbar für ihr Vertrauen und für ihren Glauben in mich, befreite ich sie von der Verirrung. Das Abschnauben am vorderen Ende zeugte von Erleichterung. Ich wechselte meine Position zum Kopf der Stute, das Hinterteil versuchte kein weiteres Mal, sich präsent vor mich zu stellen. Stattdessen durfte ich die Dame in den Schlaf kraulen, sogar legte sie kurz ihren Kopf auf meiner Schulter ab und ließ sich ganz in ihrer Entspannung fallen.

 

Präsenz bedeutet Wahrnehmung!

Was will ich euch mit dieser Geschichte sagen? Nicht unsere Präsenz ist wichtig im Zusammensein mit unseren Pferden. Viel wichtiger noch ist das Wahrnehmen unserer Pferde. Wir müssen aufhören, immer nur unseren Willen erreichen zu wollen. Stattdessen müssen wir lernen hinzuhören, hinzufühlen, was unser Pferd zu sagen hat. Im Endeffekt wollen wir alle eine perfekte Partnerschaft mit unseren Pferden erreichen. Dennoch aber sind wir nicht in der Lage, unser Gegenüber zu fühlen, ihm den Raum zu geben, sich selbst zu verwirklichen, sich uns mitzuteilen.

Mitgefühl und Wahrnehmung

Das hat nichts mit Zauberei sondern eher mit etwas mehr Selbstlosigkeit und Mitgefühl zu tun. Lasst euch auf eure Pferde ein, fangt an, sie zu fühlen. Und öffnet euch dabei. Seid im Moment, schüttelt alle negativen Energien ab. Nur so erreicht ihr eine Partnerschaft. Nur so wird euer Zusammensein zu einem „wir beide“ anstatt eines „ich und mein Pferd“.

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3 Comments

  • Reply
    Christina
    at

    Vielen Dank für diesen wunderschönen Beitrag Tanja! <3
    Ich bin da ganz bei dir – alle wollen, dass ihr Pferd sie mag und ihr Freund ist, aber selbst halten nur die wenigsten inne und hören ihrem Pferd zu, lassen es zu Wort kommen. Freundschaft beruht immer auf Gegenseitigkeit!
    (Das mit den Menschen, mit den unguten „Energien“ kenne ich übrigens auch. Vor ein paar Wochen lief mir eine Frau über den Weg, die eigentlich freundlich war, bei der es mir aber schon vor dem ersten Satz regelrecht den Magen umgedreht hat. Im Nachhinein weiß ich wieso, ein ganz schlimmer Mensch…)

    Viele liebe Grüße,
    Christina

  • Reply
    Tash
    at

    Hallo Christina! Danke für die lieben Worte!! <3 ich glaube nicht mal, dass meine Begegnung ein schlechter Mensch war, sondern eher viel mit sich rum schleppt und keine Gelegenheit auslässt, um etwas davon abzuwerfen...

  • Reply
    Christina
    at

    Nichts zu danken 😉

    Klar, das gibt es natürlich auch… Und meistens merken es die Leute nichtmal :-/

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